Review (PC): Die wilden Hühner – Mein Casting-Trainer
"Manchmal möchte ich ein 7-jähriges Mädchen sein. Könnte man zumindest annehmen, wenn man mich „Die wilden Hühner – Mein Casting-Trainer" spielen sieht. Der eigentliche Grund, dass ich meine zarten Fingerchen an dieses Stück Software lege, ist aber wohl eher in dem Vergnügen anderer zu finden, die mich gerne leiden sehen. (Anm. d. Lektors: Niemals! *Popcorn auspack*)
Also gibt man mir Casual-Kinder-Mädchen-Software, wünscht mir..."
...noch „Alles Gute" und schließt die Kellertür von außen ab. Ich sitze unterdessen allein, mit einer grellpinken DVD-Hülle im Reviewbunker und kratze mit zitternden Händen die Schutzfolie ab. Die Installation ist eine Sache von wenigen Minuten, scheint ja nicht sehr groß zu sein, das Ganze. Aber Bakterien und Viren sind auch nicht sehr groß und können trotzdem ganz schön Schaden anrichten. Ich bleibe negativ gespannt.
Starten wir "Die wilden Hühner – Mein Casting-Trainer" also. Und sehen schnell, da hat sich einer mal so richtig Mühe gegeben. Brechen wir es mal herunter...
Was einem hier als LIZENZPRODUKT zur Ruhigstellung etwaiger femininer Nervblagen untergejubelt wird, ist wohl die größte Frechheit, seit es Doku-Soaps gibt. Das „Spiel" ist ein piefiges Flashgame (was mir nur dadurch bewusst wurde, dass der ganze Krempel beim ersten Versuch mit einer dementsprechenden Fehlermeldung abgestürzt ist) mit billigsten 2-Bild-Animationen, völlig übersteuerter Farbgebung und den wohl dämlichsten Minispielen meiner gesamten Zockerkarriere.
Das Ganze ist als „Casting" aufgezogen, nicht ohne der 7 bis 10-jährigen Zielgruppe einen Wust an Disclaimertext um die Ohren zu hauen, dass man ja auch bei gutem Abschneiden in den Disziplinen des Spiels wohl eher noch keine Schauspielerin ist. Wer liest denn so was? Vor allem mit 10? Ich lese es ja nicht einmal jetzt.
Das ist übrigens eins der hervorstechendsten Merkmale von "Die wilden Hühner – Mein Casting-Trainer": Viiiel Text.
Zweites Merkmal: Ein grottenhässliches Design. Mal davon abgesehen, dass man aufgrund der Machart (eine schlechte nämlich) Dreidimensionalität gleich mal abhaken kann, wird den jungen, erwartungsvollen Mädels hier eine hingeschluderte 2D-Zeichnung nach der anderen vors unschuldige Näschen geklatscht.
Auch das Ohr wird angemessen mitgequält. Dreißigsekündige Soundloops mit enervierendem Geplingel und Gedüdel jagen auch dem letzten Nesthäkchen die Wutröte in die Pausbacken.
Schauen wir uns lieber mal den eigentlichen Spielinhalt an.
Minispiele, 7 an der Zahl und jedes einzelne ist eine Ausgeburt an Langeweile und Innovationslosigkeit. Es beginnt mit „Styling"", in dem Dinge wie Liedschatten, Lippenstift und Schmuck aus einer überschaubaren Vorgabe von zwei bis drei Möglichkeiten pro Detail ausgewählt und dann mit einer Farbskala eingefärbt werden.
Aufgabe Nummer zwo ist ein Fotoshooting. Diesmal hat man anstelle der Styledetails, die Chance, Dinge wie Pose, Oberteil und „Sonnenbrille ja oder nein" zu entscheiden, wieder alles einzufärben und dann darf man sogar noch den zu fotografierenden Bildausschnitt festlegen. Ich gähne.
Um jetzt ganz sicher in den Recall zu kommen, muss man nur noch den Fitnesstest überstehen, der allerdings meine Auffassungsgabe schon zu überfordern scheint. Man soll mehrere Trainingsgeräte abwechselnd benutzen, ohne eine Ausdauerleiste auf Null rutschen zu lassen. Dafür muss man pro Gerät in einem anderen Rhythmus die Leertaste drücken (ehrlich!). Was das für ein Rhythmus ist? Bin ich Gott? Bin ich allwissend? (Anm. d. Lektors: Nö, das bin ich ja schon...)
Geschafft. Übrigens, ob der jeweilige Test bestanden wurde, wird aus einer Mischung aus Jury-, Studiopublikums- und Fernsehpublikumsbewertung ermittelt. Wie die jeweiligen Zahlen zustande kommen? Siehe die letzte schlaue Frage.
Also ab in den Recall.
Hier wird erst einmal getanzt. Oder es werden Tasten gedrückt. In einem unerwarteten (als ob) Anflug von völliger Blödheit wird da schnell das typische Tanzspielprozedere kopiert und unnötig kompliziert gemacht. Warum? Weil neben den Pfeiltasten auch noch die WASD-Tasten eingesetzt werden. Und zwar nicht, wie ich nach Überfliegen der romanlangen Anleitung (für ein Tanzminispiel), als Alternative zu den Pfeilen sondern als tatsächlich belegte Richtungsbuttons. So entstehen ca. Drölftrilltausendundeine Kombinationsmöglichkeiten. Denn hier werden Tasten auch mal zu zweit gedrückt. Kompliziert. Aber wenigstens wird jede richtige Eingabe (und auch die falschen) mit einer von richtig geraten, zwei oder drei möglichen Standbildern (die Tanzschritte) des gewählten Wildhuhns belohnt. Hossiana.
Kommen wir also mal endlich zu etwas Action. Jetzt geht es ans Set und endlich wird man auf seine schauspielerischen Talente abgeklopft. Drei Szenen (von 6 möglichen) muss man erfolgreich überstehen. Mich trafen:
1. Die Zauberschule: Irrlichter mit dem Zauberstab abschießen. Ich meinte natürlich: Farbpunkte mit der Maus anklicken, bevor sie weg sind. Lustig, dass einige der „Irrlichter" unter der Zaubererrobe des Huhns in der Mitte des Bildes hervorkommen.
2. Der Actionfilm: Man hängt an der Strickleiter eines Helikopters und muss durch Hoch- und Runterklettern Vögeln ausweichen. Ich habe an dieser Stelle nicht ausgetestet, ob W und A alternativ belegt sind. (Anm. d. Lektors: Wahrscheinlich die ganze Zeit nur die "ESC"-Taste ausprobiert...)
Und
3. Das Märchen: Als Prinzessin muss dem Prinzen im richtigen Winkel und mit der richtigen Krafteinwirkung eine Rose in die Ausgestreckte Hand geworfen werden. Drei Versuche hat man. Die erste landete Stiel voran in seinem Gesicht, die anderen beiden etwas tiefer
Ich durfte mir noch einverleiben, dass meine Tanz- und Schauspielkünste fürs Finale gereicht haben und *ZUPP* schmierte der Salat mit Sauce ab. So kurz vor der Chance meines Lebens. Ich weinte mich in den Schlaf. Oder aber auch nicht.
Fazit: Dieses „Spiel", wenn man es denn so nennen will, ist eine auf silbern schimmerndes Plastik gepresste Frechheit. Hätte Publisher-Firma „Oetinger (-interactive)"" ein T mehr, wäre das zwar immer noch widerlich, aber würde einem spätestens nach der dritten Flasche egal sein. Ohne das Zusatz-T kann man hier tatsächlich von purer Geldschneiderei sprechen. Da wird auf der Beliebtheit der Vorlage versucht, mal wieder unwissende (weil desinteressierte) Eltern und arme nichts dafür könnende Omas und sonstige minderbemittelte Verwandte dazu zu bringen, Scheiße in die Kinderzimmer und Kohle in die Firmentaschen zu schaufeln. Danke, nein!
Anm. d. Lektors: gibt es übrigens die Demo zum Spiel :-)"