Review (Kino): Hin und weg

Spätestens seit der Ice Bucket Challenge ist die unheilbare Krankheit ALS jedem bekannt. Doch zu diesem Zeitpunkt war Christian Züberts Tragikomödie Hin und weg längst abgedreht: Menschlich und erschütternd zeigt das hochkarätige Schauspiel-Ensemble um Florian David Fitz, Jürgen Vogel und Julia Koschitz die schmerzhafte Stärke, einem geliebten Menschen den Wunsch zum Sterben zu gewähren.

Florian David Fitz mimt den ALS-Patienten Hannes. Hannes (Florian David Fitz) hat ALS. Gerade weil er den menschlichen Verfall durch diese unheilbare Krankheit von seinem Vater kennt, entscheidet sich der sportliche Mittdreißiger für eine letzte Fahrradtour mit seiner eingeweihten Partnerin Kiki (Julia Koschitz), seinem Bruder Finn (Volker Bruch) und den besten Freunden Michael (wie immer köstlich komisch: Jürgen Vogel), Mareike (Victoria Mayer) und Dominik (Johannes Allmayer). Bisher konnte er seine Krankheit vor diesen geheim halten, denn er möchte kein Mitleid haben. Doch schnell kommen sie dahinter und müssen erkennen, dass Hannes das Tour-Ziel Belgien nur aus einem Grund gewählt hat: Dort wird aktive Sterbehilfe angeboten…

Die Freunde sind ein eingeschworenes Team.Nachdem die Freunde von Hannes Krankheit erfahren haben, klingt Michaels (Jürgen Vogel) Versprechen „Jetzt hauen wir nochmal richtig auf die Kacke!“ bloß wie eine Floskel. Doch das ausgelassene und authentische Zusammenspiel des hochkarätigen Schauspiel-Ensembles sprüht nur so vor ansteckender Lebensfreude. Rituale wie die Verteilung von herausfordernden Aufgaben oder das lautstarke Spielen der Mix-Tapes der Freunde zeigen, dass jede Figur ein komplexes und tiefgründiges Eigenleben besitzt. Auch der flapsige Überfall auf Hannes und Kikis Zelt am regnerischen Morgen und das ungezwungene Frühstück zeigen die Freunde als eingeschworenes Team.

Im Angesicht dieser unbeschwerten und bedingungslosen Freundschaft trifft Hannes Wunsch nach dem Sterben aus freiem Willen den Zuschauer emotional umso schärfer. Mit der aktiven Sterbehilfe stellt sich Regisseur Christian Zübert einem sensiblen Thema: „Ich hoffe, dass es einen Weg gibt, von dieser Welt zu gehen, in einem Gefühl der Verbundenheit mit seinen Freunden und der Familie.“

Einen geliebten Menschen möchte man nicht gehen lassen.Sehr menschlich zeigt Hin und Weg die schmerzhafte Hilflosigkeit, einen geliebten Menschen gehen zu lassen. Erst auf der Tour kommt Hannes in die Lage, über seine innere Zerrissenheit reden zu können. Seinen Wunsch aber auch seine Furcht, in Würde gehen zu wollen, legt Florian David Fitz alias Hannes in den intensiven Gesprächen für jeden glaubwürdig und nachvollziehbar dar. Zudem muss Hannes lernen, dass er die Unterstützung von Kiki und seinen Freunden braucht, damit er gehen kann. Sein Tod gehört ihm nicht alleine, nur gemeinsam mit seinen Engsten kann er das Leben loslassen.

Musikalisch fangen rockige Punk-Stücke wie von den Beatsteaks (I never was) und Balladen von Newcomer Ryan Keen (u.a. Skin and Bones) oder Passenger (u.a. What you’re thinking) die zwei emotionalen Extreme auf.

Der Zuschauer wird von Anfang an in das Geschehen mit eingebunden (Hannes radelt auf den Rezipienten zu). Mithilfe der Handkamera, vieler Close-Ups und einer starken Lichtkomposition (ihre Tour beginnt zum Beispiel bei Sonnenaufgang und endet bei untergehender Sonne) erlebt man die emotionale Reise hautnah mit. Zeitweise vergisst man sogar durch die lebensbejahenden Freunde die Krankheit und damit hat Hannes sein Ziel erreicht: Er möchte kein Mitleid. Und so zeigen ihm seine Freunde, worauf es ankommt im Leben und dass sie nochmal „richtig auf die Kacke“ gehauen haben.

Schließlich stellt Florian David Fitz den Tod als hoffnungsvolle Verabschiedung auf Zeit dar. Und obwohl die Freunde seine Entscheidung verstehen können, kommen sie mit den Rädern (un)bewusst nicht rechtzeitig zum Sterbehilfe-Termin, sodass Hannes Mutter (Hannelore Elsner) sie mit dem Auto abholen muss. Denn man hofft bis zur letzten Minute, dass der Lebenswille die Oberhand behält, jeder kennt das Gefühl und die Hilflosigkeit, einen geliebten Menschen gehen lassen zu müssen.

Fazit

Feinfühlig findet Hin und weg die schwierige Balance zwischen ansteckender Lebensfreude und der nachvollziehbaren Entscheidung, in Würde gehen zu wollen. Absolut sehenswert!

25. Oktober 2014, von Katharina 'Katharina S.' Späth

Florian David Fitz mimt den ALS-Patienten Hannes.
Viele der Szenen wurden in Frankfurt, Mainz und Wiesbaden gedreht.
Die Freunde sind ein eingeschworenes Team.
Einen geliebten Menschen möchte man nicht gehen lassen.
Das Schauspiel-Ensemble hatte trotz des ernsten Themas viel Spaß.
Michael (Jürgen Vogel) soll sich mal als Frau fühlen.