Review (PS3): Ni no Kuni - Der Fluch der weißen Königin
Neues aus dem Spieletesterbunker:
Ja, ihr habt richtig gelesen. Euer allerliebster (Anmerkung der Redaktion: Bescheiden wie immer...) Lieblingsprügelknabe der Videospielrezensionen lebt nicht nur noch, nein, er hat sogar die Kraft gefunden, sich ausgiebig einem weiteren Review-Exemplar zu widmen.
…wie bitte? Was war das? Ni no Kuni - Der Fluch der weißen Königin? Ein Triple-A-Titel? Und dann auch noch ein Genre, mit dem ich was anfangen kann? Bin ich gestorben und im Himmel? (Anmerkung der Redaktion: Keine Sorge, demnächst gibt es wieder Simulationen für dich.)
Nein, aber das Türchen wird mir...
...wohl eh verschlossen bleiben. Trotzdem kommen wir jetzt endlich mal zu Potte und schauen, was uns der liebe gute Weihnachts-Reinifilm da als Review-Exemplar ins Söckchen schob.
„Ni No Kuni – Der Fluch der weißen Königin“ ist die lang erwartete Rettung des für viele Jahre als ausgelutscht und „tot“ geltenden J-RPG-Genres. Und das ist nicht nur eine Werbebehauptung oder Wunschdenken halb verhungerter Fans der ostasiatischen Kunst des Rollenspielens. Das ist ein verdammter Fakt!
Der erfahrene Entwickler Level 5 (unter anderem verantwortlich für die berühmte Rätselknackerserie um „Professor Layton“ und für das allgemein als bestes Rollenspiel auf der PS2 bekannte „Dragon Quest VIII“) hat hier den wohl besten Deal dieser Konsolengeneration abgeschlossen und für das Charakter-Design, Story, klassisch animierte Zwischensequenzen etc. den Gott unter den japanischen Animationsstudios „Studio Ghibli“ (unter anderem „Prinzessin Mononoke“, „Chihiros Reise ins Zauberland“, und viele, viele mehr) verpflichten können. Und aus dieser Zusammenarbeit erwuchs nun dieses wunderschöne Stück Software.
Man weiß wirklich gar nicht, wo man anfangen soll mit dem ganzen Loben!
Story
Eine herzergreifende, wunderschöne Geschichte um das Erwachsenwerden, dem Umgehen mit Verlusten und (natürlich) die Macht der Freundschaft.
Der kleine Oliver lebt mit seiner Mama in einer Kleinstadt, die ganz gut das Amerika der 50er-Jahre sein könnte. Er stellt mit seinem besten Freund gerne Blödsinn an und ist auch sonst ein ziemlich normaler 13jähriger (ok, im Spiel selbst wirkt er um einiges jünger). Bis es einen tiefen Einschnitt in sein junges Leben gibt. Seine Mutter stirbt nach erfolrgreicher Rettung ihres Sprösslings aus den Fluten des stadteigenen Kanals, weil ihr nach der ganzen Anstrengung eine Herschwäche übel mitspielt.
Bei den Eltern seines besten Freundes für kurze Zeit unterkommend, versinkt der frisch verwaiste Junge immer tiefer in einer Wolke aus Trauer und der Unwissenheit darüber wie es weitergehen soll. Bis seine Tränen zufällig auf ein altes Stofftier tropfen, dass seine Mutter ihm vor langer Zeit schenkte, und dieses zum Leben erwecken.
Ist das nicht süß? Und genauso süß geht es weiter. Das Stofftier, Tröpfchen, ist der Großbaron der Feen aus einer Parallelwelt und hat gute und schlechte Nachrichten für Oliver. Die guten: Es gibt eine Chance, dass er seine Mutter wieder zum Leben erwecken könnte. Die schlechte: Er muss Tröpfchens Welt vom Dunklen Djinn Shadar befreien, denn er scheint der „Reinherzige“ zu sein, der einzige, der dazu imstande wäre...
Da wird natürlich nicht lange überlegt und los geht es vom „modernen“ Motorville hinein in die Fantasywelt, die Tröpfchen sein Zuhause nennt.
Ja, die Story ist kitschig. Ja, wirklich neu ist sie auch nicht. Aber sie ist so emotional und überzeugend erzählt, dass man nach der kurzen Spielzeit den völlig am Boden zerstörten Waisenjungen , der all seinen Mut zusammennehmen muss, um eigentlich völlig unvorbereitet eine fremde Welt zu entdecken, auf jede Art helfen will, die einem als Spieler möglich ist.
Herzig.
Gameplay
Klassisches Rollengespiele par Excellence. Wir haben Partymitglieder, die aufgelevelt werden können, Lebenspunkte, Magiepunkte, Zauberangriffe, Equipment. Alles, was man erwartet. Was man nicht erwartet, ist ein kräftiger Schlag Pokémon. Denn, anstatt selber Monster um Monster zu verkloppen, schickt man sogenannte „Vertraute“ ins Rennen. Vertraute kommen aus dem eigenen Herzen, oder entstehen in Baum-Eiern oder so. Lange Zeit ist man mit drei kleinen Vertrauten unterwegs, die einem schnell ans Herz wachsen und alle tatsächlich auf dem Schlachtfeld mit eigener Persönlichkeit punkten können.
Quietschniedlich, glaubt mir.
Im Laufe des Spiels lernt man dann recht unvorbereitet die Fähigkeit, Monster, die man nun schon Stunde um Stunde bekämpft hat, zu „bezirzen“. Denn manche dieser Monster sind von eurer Macht so überwältigt, dass sie sich in euch verlieben (Die Worte des Spiels, nicht meine.), so dass man die Chance bekommt, sie auf seine Seite zu ziehen.
Und dann geht es los, das große Sammeln. Jeder Vertraute hat insgesamt 4 verschiedene Evolutionsstufen. Und die wollen alle entdeckt, entwickelt und aufgewertet werden. Wenn da mal kein Suchtpotential schlummert.
Die Kämpfe selbst sind ein Mix aus taktischen Pausen und hektischen Echtzeitbalgereien. Man wählt zuerst das aktive Rollenmitglied, dann ihn oder einen seiner bis zu drei Vertrauten und kann mit dem Figürchen in der abgesteckten Arena herumrennen und die Opfer in spe aufs Korn nehmen. Dann wird gezaubert, verteidigt, attackiert und ab und an sogar mal ein Item benutzt. Selten wird es mal etwas unübersichtlich, aber außerhalb des genretypischen Auflevelns kommt gerade durch den actionträchtigen Part der Kämpfe auch mal Spannung auf. Gerade bei Bossen ist es selten ratsam, sinnlos draufloszukloppen. Bedacht, häufiger Vertrautenwechsel und auch mal kreischend vor dem riesigen Monster wegrennen, um nicht getroffen zu werden, führen eher zum Sieg.
Außerhalb der Kämpfe regiert wieder klassische Kost: Städte, Dungeons, eine ausladende Oberwelt. Nebenquests, wie „Töte so und so viele von der und der Sorte“ und „Bringe mir dieses“ oder „Finde jemanden“ sind an der Tagesordnung, haben hier aber den Vorteil, nicht nur Geld und Items als Belohnung zu generieren, sondern man sammelt auf einer sogenannten „Auftragskarte“ auch unterschiedlich viele Stempel für jede erledigte Aufgabe. Für vollgestempelte Karten kann man dann spielbeeinflussende Boni eintauschen. So läuft man mit einem schneller über die Karte oder erlangt mit einem anderen pro Kampf mehr Erfahrungspunkte.
Einsteigerfreundlicherweise werden die jedem Teilnehmer des Kampfes, ob aktiv oder ungenutzt, gleichermaßen zugesprochen, wodurch man zumindest am Anfang frische Vertraute schnell gepusht bekommt.
Es gibt aber leider nicht nur Sonnenschein. „Schnellreisen“ lernt man erst sehr spät und ist bis dahin gezwungen, den ein oder anderen arg langen Weg zurückzulegen. Gerne auch mehrmals. Auch, dass das Spiel seeeeehr dialoglastig ist, kann auch mal etwas am Geduldsfaden knabbern. Schade eigentlich, dass nicht alle Texte vertont wurden. Ich habe auf Englisch gespielt und war von den Sprechern begeistert. Ist jedoch bei der Fülle noch nachvollziehbar.
Auch auf Minusseiten zu verbuchen ist, dass es zuweilen im Kampf auch mal unübersichtlich wird und wenn man in Bosskämpfen gerade nicht den „richtigen“ Vertrauten dabei hat, ist man auch mal schnell ausgelöscht.
Aber dabei bleibt das Spiel immer fair. Verliert man, hat man die Möglichkeit für einen kleinen Teil seines Guldenkontos mit denselben Stats und vollständig geheilt an der letzten Stelle nach einem Ladebildschirm das ganze noch einmal in Angriff zu nehmen.
Zu den ganzen Späßen wie Vertrauten-Zucht, Nebenquests und Weltentdeckung gesellt sich dann noch ein umfangreicher „Alchemiekessel“. In dem kann man mit den richtigen Zutaten allerlei tolle Items zusammenzaubern. Und auch hier ist man nett zum Spieler. Nicht funktionierende Experimente verbrauchen auch keine Zutaten.
Angenehm.
Grafik
Kommen wir zum großen Trumpf von „Ni no Kuni“. Jeder, der auch nur ein Tröpfchen Interesse an den Studio-Ghibli-Filmen hat, verliebt sich hier ab dem ersten Moment. Das fängt an beim typischen Charakterdesign, den detailverliebten Hintergründen, der hübschen, aber nicht überzuckerten Farbgebung und hört bei den kleinen und großen Effekten im Kampf nicht auf. Oben drauf gibt es noch niedliche Monster und Vertraute und so manchen wirklich episch anmutenden Boss.
Und das alles gilt sowohl für In-Game-Grafik, als auch für die wunderhübschen, gezeichneten Zwischensequenzen.
WUN.DER.HÜBSCH!
Fazit
Wie könnte es anders sein? Ni no Kuni - Der Fluch der weißen Königin IST der Retter des tot geglaubten Genres. Es ist emotional, hat einen wirklich netten kleinen Helden, schürt die Sammelwut und hält einen gerne mal schnell mehrere Stunden bei der Stange…sei es nun, weil man unbedingt wissen will, wie es weitergeht oder der gute alte „Nur noch einen Levelaufstieg“. Wer die Zeit hat, sollte es kaufen!
Nachträgliche Warnung: Wer eine Abneigung gegen Wortspiele hat, wird mit Ni No Kuni nicht glücklich. Kaum eine Zeile Text kommt ohne Alliteration oder lustige bis kopfpatschdämliche Wortneuschöpfungen aus. Also: Vorsicht! :-)